die Gretchenfrage ?

Allgemeine Themen rund um die Kanareninsel La Palma
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NiederBayer
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von NiederBayer »

Die hier vertretene Auffassung "ich fliege sooft ich will" bzw. "ich fliege/fahre usw. wohin ich will" und dabei ist es mir (so verstehe ich das) scheißegal, welche Auswirkungen das hat, finde ich schon äußerst bedenklich. Das wäre nämlich konsequent zu Ende gedacht eine zutiefst egoistische Einstellung ohne jede Sensibilität dafür, dass es außerhalb des eigenen Ichs auch noch andere Menschen/Tiere/usw. gibt.
Ich nehme euch das auch nicht so recht ab bzw. bin überzeugt davon, dass ihr euch in vielen (anderen) Lebensbereichen auch selbstverständlich so verhaltet, dass ihr über die Folgen des eigenen Tuns reflektiert.
Auf der anderen Seite - und darauf wollt ihr mit euren Aussagen möglicherweise hinaus - ist es schlicht unmöglich, alles zu unterlassen, was anderen schaden könnte, es sei denn, es ist unumgänglich für die eigenen Grundbedürfnisse (essen, schlafen oder schlicht überleben). Gerade in der heutigen komplexen und vielfach verflochtenen (Wirtschafts-) Welt hat beinahe alles, was ich tue, zwangsläufig negative Auswirkungen an anderer Stelle, so dass ich mir eigentlich in die eigene Tasche lüge, wenn ich meine, durch mein Handeln sozusagen zu einem besseren Menschen zu werden, der dann mit dem Finger auf andere zeigen kann.
Um zur ursprünglichen Fragestellung zurückzukehren: Wenn ich den Handelsblatt-Artikel so ansehe, ist das Fliegen - um das sich die öffentliche Debatte ja mittlerweile hauptsächlich dreht - nicht das Hauptproblem des CO2-Ausstoßes in Deutschland (!), so dass umgekehrt eine Reduzierung von Flügen keine nennenswerte Reduzierung in Deutschland (!) bringt. Wenn ich mir dann noch ansehe, dass der deutsche Beitrag in der Welt anteilsmäßig verschwindend gering ist, komme ich zu dem Schluss, dass wir unsere Gestaltungsmöglichkeiten grandios überschätzen, wenn wir meinen, durch eine Reduzierung des Flugverkehrs beispielsweise irgendeinen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können. Allenfalls könnten wir eine Art Vorbildrolle einnehmen in der Hoffnung, dass andere nachziehen. Auch das halte ich jedoch für eine Illusion.
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von leinalf »

Sportschütze hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 10:18
leinalf hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 10:02
Bitte deutlicher werden: Luftverkehrabgabe zahlen wir ja schon alle. Eine Ökosteuer gibt es noch nicht!

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96kos ... utschland)
Um es genauer zu sagen: eine Ökosteuer auf Flugzeugbenzin oder den Luftverkehr gibt es noch nicht. die Luftverkehrabgabe ist keine Ökosteuer! :-) Was will Sportschütze mir denn nun eigentlich sagen?
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von leinalf »

NiederBayer hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 11:20 Allenfalls könnten wir eine Art Vorbildrolle einnehmen in der Hoffnung, dass andere nachziehen. Auch das halte ich jedoch für eine Illusion.
Das halte ich gerade nicht für eine Illusion, sondern für ein riesiges Potential für zukunftsträchtige Jobs. Wenn wir unsere Wirtschaft CO2-Neutral umbauen und es funktioniert, dann wollen andere das auch. Und dann wird eventuell ein spürbarer Effekt in Sachen Reduzierung des klimaschädlichen Verhaltens aufkommen.

Einen kleinen, zynischen Seitenhieb möchte ich aber noch loswerden: Wem künftige Arbeitsplätze und das Wohl seiner Enkel und der Mit-Umwelt am Arsch vorbei geht, dem würde ich gerne das von der Allgemeinheit finanzierte Gesundheitsystem vorenthalten. Niemand ist eine Insel!
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von El Jardinero »

Niederbayer: Wenn ich mir dann noch ansehe, dass der deutsche Beitrag in der Welt anteilsmäßig verschwindend gering ist...
.... sollte das aber nicht als Alibi für Nichtstun verstanden werde.
Ist aber auch eines der Grundprobleme und ein beliebtes Argument: Unterlassung wegen angeblicher Irrelevanz.

(Wobei ich das allgemein meine und nicht auf niederbayer gemünzt, der im Weiteren seines Beitrages die Sache ja genauso sieht)
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von manteca »

Einen interessanten Aspekt sehe ich auch in der Tatsache, dass nur der Deutsche Inlandsflugverkehr in die Deutsche CO2 Bilanz eingerechnet wird. Alle Flüge von und nach Deutschand gehen NICHT auf dieses brisante Konto! Politische Anstrengungen für "klimafaire" Urlaubsflüge ins Ausland würden uns unter diesen Umständen den hochgesteckten Klimazielen Deutschlands in den kommenden Dekaden nicht näherbringen! Das gilt übrigens auch für alle Deutschland erreichenden Schiffe, die international unterwegs sind. Auch Biomasse-Einträge wie Holzverbrennung - die man sich ja vielleicht noch nachhaltig nutzbar vorstellen mag, oder die Trockenlegung von Hochmooren ( Torfgewinnung > hochproblematisch ) gehen NICHT in unsere "offizielle" Klima-Bilanz ein.
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leinalf
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von leinalf »

Um die Argumentation noch einmal eine Ebene höre zu bringen, diene der folgende philosophische Einwurf aus dem alten Griechenland:

Platon lässt Sokrates sagen:

„ … worin würde dann das Heil unseres Lebens zu finden sein? In der Messkunst oder in dem Einflusse des Scheines? Oder würde nicht der letztere uns irreführen und bewirken, dass wir oft dieselben Gegenstände von oberst zu unterst kehren (das Wichtige für unwichtig halten) und unser Tun und unsere Wahl des Großen und Kleinen (des Guten und Schlechten) bereuten, die Messkunst dagegen dieses Trugbild zunichte machen und durch Offenbarung des Wahren (Guten, Schönen, Wohltuenden) unsere Seele bei dem Wahren erhalten und so ihr Ruhe und unserem Leben Heil bringen? Würden nicht die Menschen zugeben, dass in diesem Falle die Messkunst unsere Wohlfahrt begründe, oder würden Sie dasselbe in irgendeiner andern Kunst suchen wollen?“

Es geht darum, den wahren Wert unserer Wünsche und Bedürfnisse, unserer Bestrebungen und Ziele, unserer Tätigkeiten und Untätigkeiten, der Dinge, Verhältnisse und Menschen um uns herum für unser Wohlbefinden zu ermessen. Was tut uns wirklich und nachhaltig gut, was nur im Augenblick, hat dann aber leidvolle, negative Folgen und wird am Ende zu teuer bezahlt? Wer nicht nach dem ersten und äußeren Anschein urteilt, sondern unter Beachtung der Folgen in allem das rechte Maß trifft, der genießt ohne Reue. Das gelingende Leben beruht insofern auf einer „Messkunst“.
Sportschütze (gelöschter User)

Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von Sportschütze (gelöschter User) »

manteca hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 11:31 Auch Biomasse-Einträge wie Holzverbrennung - die man sich ja vielleicht noch nachhaltig nutzbar vorstellen mag, oder die Trockenlegung von Hochmooren ( Torfgewinnung > hochproblematisch ) gehen NICHT in unsere "offizielle" Klima-Bilanz ein.
Geht denn der CO2 Ausstoß der Nutztiere in die Bilanz mit ein ?
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von LaGraja »

Die Aussage "Der CO² Ausstoß des Auto (Flug-, Schiffs-)verkehrs ist im Weltmaßstab so minimal und der Anteil Deutschlands daran noch minimaler" ist eine beliebte Rechtfertigung der "Nach mir die Sintflut, ich fliege/fahre so oft und mit was ich will"-Fraktion. Sie wird durch ständige Wiederholung nicht zutreffender.

Die tödliche Dosis Arsen für einen Menschen mit 100kg beträgt 140mg. Das sind, wenn ich richtig rechne, 0,0014% des Körpergewichts. Für unsere Testperson ist es natürlich von existenzieller Bedeutung, ob sie/er nun 100 oder 150mg Arsen eingeflößt bekommt. Bei 100mg wird ein starkes Unwohlsein die Folge sein, bei über 140mg allerdings wird es ernst bis letal.

Klar, eine Einzelmaßnahme bewirkt für sich nichts. Deshalb aber darauf zu verzichten anstatt sie mit verschiedenen anderen einschlägige Maßnahmen zu kombinieren und in ein Gesamtkonzept einzubauen, wäre jetzt nicht logisch.
Old, in the way, and here to stay. :thumbup:
Nina-Elena (gelöschter User weil inaktiv)

Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von Nina-Elena (gelöschter User weil inaktiv) »

Nun, ich versuche mit kurzzufassen. Wer mir meine zwei Urlaubsflüge pro Jahr vermiesen will, der spreche vorher bitte mit den Reedereien. Ich lebe wesentlich umweltbewusster als viele andere Menschen und habe kein schlechtes Gewissen. Verwerflicher finde ich da "angebliche" Geschäftsreisen. Da gibt es Leute, die mir erzählen, dass man eigentlich nur essen war und Sightseeing in fernen Ländern gemacht hat. Die Gespräche selbst werden heutzutage mit den verfügbaren Medien geführt und bedürfen keiner Flüge um den Globus. Leute mit Elektroautos fahren in den Urlaub anstatt zu fliegen. Wow, toll! Oder??? Nein!!! Man mache sich schlau, was der Umwelt angetan wird, um die Akkus für genau diese Autos herzustellen. Ich könnte endlos weitermachen, aber ich denke, ich habe meinen Standpunkt klar und deutlich vertreten.
Sportschütze (gelöschter User)

Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von Sportschütze (gelöschter User) »

Nina-Elena hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 12:51 Nun, ich versuche mit kurzzufassen. Wer mir meine zwei Urlaubsflüge pro Jahr vermiesen will, der spreche vorher bitte mit den Reedereien. Ich lebe wesentlich umweltbewusster als viele andere Menschen und habe kein schlechtes Gewissen. Verwerflicher finde ich da "angebliche" Geschäftsreisen. Da gibt es Leute, die mir erzählen, dass man eigentlich nur essen war und Sightseeing in fernen Ländern gemacht hat. Die Gespräche selbst werden heutzutage mit den verfügbaren Medien geführt und bedürfen keiner Flüge um den Globus. Leute mit Elektroautos fahren in den Urlaub anstatt zu fliegen. Wow, toll! Oder??? Nein!!! Man mache sich schlau, was der Umwelt angetan wird, um die Akkus für genau diese Autos herzustellen. Ich könnte endlos weitermachen, aber ich denke, ich habe meinen Standpunkt klar und deutlich vertreten.
Mehr als korrekt :thumbup: :goodpost:
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von manteca »

Sportschütze hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 12:17
manteca hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 11:31 Auch Biomasse-Einträge wie Holzverbrennung - die man sich ja vielleicht noch nachhaltig nutzbar vorstellen mag, oder die Trockenlegung von Hochmooren ( Torfgewinnung > hochproblematisch ) gehen NICHT in unsere "offizielle" Klima-Bilanz ein.
Geht denn der CO2 Ausstoß der Nutztiere in die Bilanz mit ein ?
So wie ich es verstehe - ja.
Lies Dir doch den Klimaschutzbericht des Bundes-Umweltministeriums durch - hier v.a. die Punkte 4.5 bis 4.7!
https://www.bmu.de/download/klimaschutzbericht-2018/
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nils.k
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von nils.k »

Erstaunlich, was sich die meisten für ein Mäntelchen zurechtgelegt haben, um ihre eigenen Umweltsünden durch die noch viel größeren anderer Leute netter erscheinen zu lassen. Fakt ist, dass jeder Deutsche noch vor dem Erreichen eines Alters, in dem er selbst aktiv sein Handeln beeinflussen kann, mehr Ressourcen verpulvert hat als ein Inder in seinem ganzen Leben.

Heute ist der Tag, an dem weltweit alle Ressourcen aufgebraucht sind, die uns rechnerisch für 2019 zustehen. Der Erdüberlastungstag der Organisation Global Footprint Network fällt damit erstmals schon in den Monat Juli. Im letzten Jahr war es noch der 1.8.. Seit 1971 ist die Menschheit nicht mehr nachhaltig. Die Deutschen waren es schon davor nicht, inzwischen verbrauchen wir das DREIFACHE der uns zur Verfügung stehenden Kapazitäten.

Aber klar, wir Alten feiern die Party bis zum Ende. Die Rechnung zahlen wir jedenfalls nicht mehr. Und dann ist es wie zu Silvester: NACH dem Feuerwerk ist es besonders dunkel und stinkt gewaltig.
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von Lee »

nils.k hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 13:57 Aber klar, wir Alten feiern die Party bis zum Ende. Die Rechnung zahlen wir jedenfalls nicht mehr.
Und genauso denken heimlich leider viele der Ü45er...als heute zwanzigjähriger würde mir vor der Zukunft gruseln....
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von nils.k »

Lee hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 14:06 Und genauso denken heimlich leider viele der Ü45er...als heute zwanzigjähriger würde mir vor der Zukunft gruseln....
Lee, und weisst Du auch, warum Fridays for Future gerade jetzt, 2019, so richtig losgelegt hat? Weil alle sehr theoretischen Aussagen zur Erderwärmung das Jahr 2100 als Berechnungspunkt angesetzt haben. Und nun haben die jungen Leute mal nachgerechnet, dass sie die ersten sind, die eine realistische Chance haben, zu diesem Zeitpunkt noch zu leben. Das ist an sich völlig irrational. Hätten die Forscher sich für ihre Hypothesen die Entwicklung das Jahr 2050 ausgewählt, dann wären möglicherweise schon vor Jahren viele Leute auf die Straße gegangen!!

Ich habe noch eine weitere, für mich sehr erschreckende Meldung aus meinem eigenen Fachbereich gefunden: im letzten Jahr ist die weltweite Getreideernte erstmals niedriger ausgefallen als der Verbrauch. Wir leben also in diesem Jahr teilweise von den Vorräten. Grund sind die vielen unwetterbedingten Ernteausfälle wie z.B. auch die Dürre in Mitteleuropa. Vielleicht ist der Verzicht auf Fleisch eben auch schon bald eine ökonomische Notwendigkeit und keine Attitüde reicher weißer Menschen mehr.
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von NiederBayer »

nils.k hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 13:57 Erstaunlich, was sich die meisten für ein Mäntelchen zurechtgelegt haben, um ihre eigenen Umweltsünden durch die noch viel größeren anderer Leute netter erscheinen zu lassen. Fakt ist, dass jeder Deutsche noch vor dem Erreichen eines Alters, in dem er selbst aktiv sein Handeln beeinflussen kann, mehr Ressourcen verpulvert hat als ein Inder in seinem ganzen Leben.

Heute ist der Tag, an dem weltweit alle Ressourcen aufgebraucht sind, die uns rechnerisch für 2019 zustehen. Der Erdüberlastungstag der Organisation Global Footprint Network fällt damit erstmals schon in den Monat Juli. Im letzten Jahr war es noch der 1.8.. Seit 1971 ist die Menschheit nicht mehr nachhaltig. Die Deutschen waren es schon davor nicht, inzwischen verbrauchen wir das DREIFACHE der uns zur Verfügung stehenden Kapazitäten.

Aber klar, wir Alten feiern die Party bis zum Ende. Die Rechnung zahlen wir jedenfalls nicht mehr. Und dann ist es wie zu Silvester: NACH dem Feuerwerk ist es besonders dunkel und stinkt gewaltig.
Ich glaube, das trifft den Kern des Problems nicht. Natürlich will ich - wie viele andere auch - meinen Teil dazu beitragen, etwas zu ändern. Und dazu gehört nunmal auch eine Änderung des eigenen (Konsum-)Verhaltens, damit geht die Party eben nicht unverändert weiter (natürlich gibt es genügend Leute, die genau so denken, aber zu denen zähle ich mich nicht).
ABER: Wenn es mir darum geht, wirklich etwas zu bewirken (zusammen mit vielen vielen anderen, allein ist man sowieso machtlos, aber einer muss ja anfangen, damit eine Bewegung draus wird), dann brauche ich doch eine ausreichende Daten- bzw. Faktengrundlage, um zu erkennen, WAS ich ändern kann/muss, um etwas zu bewirken. Wenn ich nämlich einfach in bestimmten Bereichen mein Verhalten ändere, ohne jede Ahnung davon, ob sich das - in Summe, s.o. - überhaupt signifikant auswirkt, dann versuche ich doch nur mein Gewissen zu beruhigen, weil ich mich dann als besserer Mensch fühle.

Ich will dafür mal das Beispiel "Wassersparen" heranziehen, in der Hoffnung, dass die Diskussion nicht abgleitet. In den 80er und 90er-Jahren hat man uns (unter anderem) eingetrichtert, ein sparsamer Umgang mit Trinkwasser (in den Privathaushalten wohlgemerkt) diene dem Umweltschutz. Begleitet von Bildern aus austrocknenden oder von Dürre geplagten Landstrichen in Afrika. Also haben wir alle Wasserspareinsätze in die Duschen und Toiletten eingebaut, tropfende Wasserhähne repariert, Regenwasserzisternen eingebaut usw. usf. und uns als bessere Menschen gefühlt. Bei näherer Betrachtung stellte sich allerdings heraus,
- dass (zumindest bis vor 2 oder 3 Jahren) in den allermeisten Gegenden Wasser überhaupt kein knappes Gut war, so dass Einsparen desselben überhaupt keinen positiven Effekt hatte.
- dass im Gegenteil die Abwasserkanäle teilweise sich zusetzten, weil immer weniger Wasser aus den Haushalten durchgeleitet wurde
- dass mit dem eingesparten Wasser eben null komma null die Dürreprobleme in Afrika oder wo auch immer gelöst werden konnten
- dass der Anteil der Privathaushalte am Wasserverbrauch verschwindend gering ist und man bspw. durch Reduzierung von Fleischkonsum wesentlich mehr Wasser einsparen kann (und dann ggf. auch noch dort, wo es tatsächlich knapp ist und für die Massentierhaltung verschwendet wird).
Ich will damit nicht sagen, dass das damals alles scheiße war, und es hat mit Sicherheit nicht geschadet, das Thema Resourcen und schonender Umgang damit in die Köpfe einer ganzen Generation rein zu kriegen. Und natürlich ist das Thema "Wasser" gerade kräftig am kippen, so dass meine o.g. Aussagen in Zukunft wohl so nicht mehr haltbar sind.

Worauf ich aber hinaus will:Man sollte sich schon immer fragen, ob ein bestimmtes Verhalten bzw. die Änderung desselben wirklich "systemrelevant" ist. Und wenn es einem nicht vordergründig darum geht, sich moralisch überlegen zu fühlen, sondern wenn man wirklich etwas sinnvolles machen will, dann kommt man nicht umhin, sich gründlichst zu informieren. Und da geht halt m.E. die Debatte leider wieder einmal in vielen Aspekten am Kern des Problems vorbei.
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von Theo aus Herne »

@NiederBayer

Inzwischen hat uns die Zeit aber eingeholt, obwohl nicht gar zu viele Jahre vergangen sind.
Wasser wird auf La Palma ein knappes Gut, die grünste Insel könnte gelber werden in Zukunft.
Das wurde schon in einigen threads thematisiert.
Aber auch in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, versehen mit großen Seen, Flüssen und kleineren Wasserläufen wird Wasser knapp.
Jetzt wird schon Wasser aus den Schiffahrtskanälen in die nördlichen Trinkwasserseen geleitet, um den stark absinkenden Bestand abzufedern. Einige andere Bundesländer leiden viel schlimmer.
Die Wirklichkeit hat uns überholt.
Natürlich ist wie bei allen menschlichen Ideen beim Wassersparen nicht sofort die Ideallinie gefunden worden.
Falsch war es auf jeden Fall nicht, obwohl ich früher ähnlich wie Du darüber gedacht habe.
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von Birigoyo »

El Jardinero hat geschrieben: Mo 29. Jul 2019, 10:56

Genau das ist der Punkt.
Man kann es sich leisten, weil es ungerechtfertigt zu billig ist.
Warum wird z.B. Kerosin nicht besteuert? (Außer in Holland)
Nur eine Maßnahme.

Der Punkt ist, dass, solange keine Faften geschaffen werden, es dem Verbraucher nicht zu vermitteln ist, etwas nicht zu tun.
Abgesehen davon, dass ich mindestens die Hälfte, eher 75% der Leute nicht erreiche, weil es ihnen am A.. vorbeigeht oder weil die grauen Zellen nicht zum Denken geeignet, ist Freiwilligkeit etwas, das nicht funktioniert.

Es wird viel über den Regelwahn von Brüssel geschimpft, was aber eher damit zu tun hat, dass viele Regelungen einfach nicht durchdacht genug sind oder waren.
Aber m.E. nach gibt es noch vieles, was man einfach schlichtweg verbieten und noch viel mehr, was man einfach nur machen müsste.
Dummerweise gibt es Lobbyisten, Bedenkenträger, Aktivisten, Verhinderer und andere Hemmschuhe des Fortschrittes, ohne die die Welt deutlich besser dran wäre.


Solange ALLE Wurstverpackungen im Wurstregal NICHT gescheit recylebar sind, brauche ich mich nicht wundern.
Auf Grund der Grösse des Problems erscheint es mir tatsächlich auch so , das die berühmte Freiwilligkeit hier den
falschen Weg darstellt . Es müssen klare und verbindliche Regeln her , und zwar nicht nur für CO2 , das Problem ist
wesentlich vielschichtiger und benötigt einen ganzheitlichen Ansatz .
Als erstes müsste zum Beispiel endlich mal das Wachstum der Erdbevölkerung zum Stillstand gebracht werden .
Wenn das nicht gelingt dann sind viele andere Massnahmen nur hilfloses Beiwerk und Alibiaktionen .

Wieso gelingt es eigentlich einem Land wie Tansania die Plastiktüte abzuschaffen , einfach mal so ... ? :o
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von Theo aus Herne »

@Birigoyo
Aus meiner Sicht hast Du einen Kernpunkt der Angelegenheit beschrieben :goodpost:
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von nils.k »

Warum uns das Verzichten so schwer fällt, steht z.B. hier: https://www.spektrum.de/news/bewusster-leben/1662326
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Re: die Gretchenfrage ?

Beitrag von manteca »

- Verpackte Möhren werden nicht mehr eingekauft.
- 2 Mal La Palma für 3 Wochen ist besser 3 Mal La Palma für 2 Wochen.
- Keine Blumenerde auf Torfbasis. Die baltische Natur sagt Danke!
- Erst der, der ein fahrbereites Rad jederzeit zur Verfügung hat, benutzt es auch!
- Keine Einweg-Folienbeutel für Obst und Gemüse.
- Avocados nur noch von der Insel.
- Einweg-Pfandflaschen sind genauso Müll wie alles andere aus dem Gelben Sack.
- Auch die letzten 3 Glühbirnen im Keller werden durch LEDs ersetzt.
- Die alten Pumpen (an der Heizung), auf denen man Spiegeleier braten kann, werden ausgetauscht.
- Grillkohle aus polnischen Urwäldern lässt sich schon mit durchschnittlicher Intelligenz vermeiden!
- Ohne Silvesterknallerei geht es auch.
- Bergkäse (Weidemilch) aus kleinen Sennereien ist sinnvoller als No-Name-Gouda vom Discounter.
- Ja, es ist möglich, Schuhe 10 oder 15 Jahre (nicht jeden Tag!) zu tragen.
- Ecosia als Suchmaschine einstellen – für 45 Suchanfragen wird ein Baumsetzling gepflanzt.
- Vertrocknete Thuja-Hecke durch Liguster oder Weißdorn ersetzen.
- Fleischkonsum ändern tut weh, aber Not! Weniger und beim weniger mehr Bio!
- Keine Wochenend – Städtetrips mit dem Billigflieger.
- Jedes mal ein paar Packungen Teneguia-Meersalz aus dem Traumurlaub mitbringen.
- Der Weg zum nächsten Hofladen mit Produkten aus der Heimat ist nicht aufgegraben!
- Honig nur direkt beim heimischen oder palmerischen Imker.
- Kleidersammlung ist nicht gleich Kleidersammlung.
- Unmut über Heizpilze dem Betreiber mitteilen!
- „Einkauf Aktuell" – mit der blöden Plastikfolie! Zwangs-Abo abbestellen! Geht – zumindest theoretisch.
- Hafer- Soja- oder Dinkelmilch im Kaffee – es gibt gesunde Alternativen.
- RoundUp – Reste endgültig zum Sondermüll bringen.
- Wie kann der ewig rollende GeschenkeVerpackungsOrgien-Tsunami gestoppt werden? Richtig!
- Frische Lebensmittel – selbst schmackhaft zubereiten – niemand braucht Industriepampe mit langen E- Nummernlisten
- Örtliche Umweltschutzgruppen freuen sich auf Freiwillige. Es gibt viel zu tun.
- Im Garten muss es nicht aussehen wie im Wohnzimmer.
- ToGo – Becher, Ski-Urlaub, SUVs, Kreuzfahrten, Plastikgeschirr und Thunfisch bleiben für's nächste Mal.
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