Bemerkungen zur Alten Kirche San Mauro Abad in Puntagorda

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Wanderbär
Mencey
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Bemerkungen zur Alten Kirche San Mauro Abad in Puntagorda

Beitrag von Wanderbär »

Vorbemerkung

Schon vor einigen Monaten hatte ich mir vorgenommen, Informationen zur Alten Kirche San Mauro Abad in Puntagorda zusammenzustellen.

Neben einigen deutschsprachigen Reiseführern – vor allem Susanne LIPPS, La Palma, Reise-Handbuch, Dumont-Verlag, 3. Aufl. 2015 – habe ich diese beiden spanischen Beiträge aus dem Internet „ausgeschlachtet“:
https://padronel.blog/2009/01/29/otros- ... tagorda-2/ von José G. Rodríguez Escudero, 2009. Auch in: http://www.lahornacina.com/articuloscanarias3.htm.
https://www.puentedemando.com/la-antigu ... untagorda/ von Juan Carlos Diaz Lorenzo, 2018

Mit etwas besseren Kenntnissen der spanischen Sprache ließe sich aus diesen beiden Beiträgen wesentlich mehr herausholen.

Die beiden Kirchen in Puntagorda
Lage der Kirchen.jpg


DSC07686.jpg
Im Ortsteil El Pino de la Virgen ragt oberhalb des zentralen Platzes die neue Pfarrkirche San Mauro Abad (im Plan blau umrahmt) empor.



DSC08625.jpg
Etwa 1.5 km und 200 Höhenmeter unterhalb des heutigen Zentrums bildet die alte Kirche San Mauro Abad mit den Überresten des Pfarrhauses ein jetzt einsames Ensemble (im Plan rot umrahmt), reizvoll gelegen zwischen dem Camino de Calvario und dem Barranco de San Mauro. In dieser Gegend hatten sich im 16. Jahrhundert die ersten europäischen Siedler Puntagordas niedergelassen. In den folgenden Jahrhunderten verlagerte sich der Siedlungsschwerpunkt, wahrscheinlich infolge der Überbeanspruchung der Ressourcen an Wasser und Boden, in höhere Lagen. Nur die Kirche verblieb an der gleichen Stelle und geriet damit zunehmend ins Abseits, bis sie schließlich 1951 aufgegeben wurde.

Einer Informationstafel vor dem Eingang lassen sich einige Daten entnehmen:

1571 Gründung der Kirche
1707 Neubau im Stil des 17./18. Jahrhunderts
1811 Brand
1951 Aufgabe der Kirche

Bedauerlicherweise ist dem Brand im Jahr 1811 das Pfarrarchiv zum Opfer gefallen, das nach einem Visitationsbericht aus dem Jahre 1679 Kirchenbücher und andere Dokumente enthalten haben muss, die bis zum Jahr 1603 zurückreichten. Für die Zeit vor dem Brand fällt damit die lokale Überlieferung aus und man muss auf mehr oder weniger zuverlässige Informationen unterschiedlicher Herkunft, vor allem von übergeordneten kirchlichen und staatlichen Institutionen, zurückgreifen.

Zur Geschichte der alten Kirche

In einem auf den 30. September 1553 datierten Testament werden der Ermita de San Amaro in Puntagorda Textilien und ein Geldbetrag gestiftet. Dies ist die früheste Erwähnung eines kirchlichen Gebäudes in Puntagorda.

Auffällig ist, dass hier die Kirche dem Heiligen Amarus (San Amaro) geweiht ist. Dieser wurde vor allem an der Atlantikküste der iberischen Halbinsel, d.h. in Portugal und den spanischen Regionen Galicien und Asturien verehrt. Schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde er in Spanien mit dem Heiligen Abt Maurus (San Mauro Abad) gleichgesetzt, obwohl die Legenden keinen Bezug zwischen den beiden erkennen lassen. Über den Heligen Abt Maurus ist wenig Gewisses bekannt. Er war ein Schüler Benedikts von Nursia und wahrscheinlich Abt des Klosters Subiaco in Mittelitalien, nach späteren Überlieferungen wurde er später Abt des Klosters Glanfeuil an der Loire, des ältesten Benediktinerklosters in Gallien. https://de.wikipedia.org/wiki/Maurus_(Heiliger).

Die Legende von San Amaro dagegen erweckt eher den Eindruck einer literarischen Fiktion, vor allem seine Seereise über den westlichen Atlantik zu der Pforte des Paradieses. https://de.wikipedia.org/wiki/Amaro_(Heiliger)
Gerade diese Erzählung wird seine intensive Verehrung bei den Anwohnern der iberischen Atlantikküste angeregt haben. Auf dieses Patrozinium stützt man die Vermutung, dass die ersten europäischen Siedler in Puntagorda aus Portugal kamen.

In einem bischöflichen Visitationsbericht vom 2. Mai 1571 werden für La Palma neben den drei Hauptpfarreien Santa Cruz, Puntallana und San Andrés noch sechs Taufbecken (pilas bautismales) erwähnt, darunter San Amaro de la Puntagorda. Der Bischof verfügt, dass aufgrund der großen Entfernungen und schlechten Wege für diese Taufstätten Kaplane mit einer Besoldung von 120 doblas zur geistlichen Versorgung der Gläubigen angestellt werden sollen.

Dass die Kirche 1617 den Rang einer Pfarrkirche erhält, ist nur auf der Website https://islabonita.com/de/location/puntagorda/ ohne nähere Quellenangaben erwähnt.

Am 30. Mai 1659 wird den Bürgern (vecinos) von Puntagorda, die sich wegen ihrer Armut auf das Beispiel von Los Llanos, Garafía, Mazo und Las Breñas berufen, vom Cabildo der Insel eine Beihilfe zum Unterhalt des Kirchenbaus von 150 Fanegas (1 Fanega = ca. 30 Liter) Weizen aus dem öffentlichen Getreidespeicher gewährt.

Durch einen königlichen Erlass Philipps IV. vom 24. Mai 1660 wird für Puntagorda die sechste Pfründe der Insel genehmigt. Bis dahin gab es Pfründen nur für drei Kirchen in Santa Cruz sowie für Puntallana und San Andrés.

Da im Laufe des 17. Jahrhunderts die Kirche zunehmend baufällig wird, kommt es ab 1707 zum Neubau im Stil des 17. und 18. Jahrhunderts.

Vor allem im 17. Jahrhundert war die Kirche in Puntagorda ein vielbesuchter Wallfahrtsort für die Bewohner La Palmas. Im Laufe der Zeit sammelten sich so zahlreiche Votivgaben zum Dank für erhörte Gebete (z.B. wächserne Nachbildungen von geheilten Gliedmaßen) an, dass die kirchlichen Behörden ihre öffentliche Zurschaustellung verboten. Die kostbarsten Gaben – Gold- und Silberschmiedearbeiten – stammen aber von palmerischen Auswanderern, die in der Neuen Welt Karriere gemacht hatten.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verdrängt die Benennung San Mauro Abad das bis dahin übliche San Amaro . Das ist wohl eine Auswirkung des im bourbonischen Spanien des 18. Jahrhunderts verbreiteten aufklärerischen Gedankenguts.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts nehmen die Bauschäden an der Kirche in einem Maße zu, dass ab 1797 ein Neubau unumgänglich wird.

Bei dem Brand am 31. August 1811 wird das Pfarrarchiv vernichtet. In welchem Maße der Brand neben dem Pfarrhaus auch die Kirche erfasst hat, ist unklar. Denn in den folgenden Jahrzehnten werden nur Arbeiten an der Fassade und eine Erneuerung der hölzernen Inneneinrichtung in neoklassizistischen Stil erwähnt.

1916 verlegt der Pfarrer das Patronatsfest vom 15. Januar, dem Festtag des Heiligen Abtes Maurus, auf den September. Heute wird es Ende Juli oder Anfang August gefeiert.

1951 schließlich wird die zunehmend verfallende Kirche aufgegeben und durch einen 1960 geweihten Neubau im Ortsteil El Pino de la Virgen als Pfarrkirche abgelöst.

Im Dezember 1985 erklären die Behörden der Autonomen Gemeinschaft Kanarische Inseln die alte Kirche samt Pfarrhaus zum historisch-künstlerischen Denkmal. Die folgenden Restaurierungsarbeiten an der Kirche werden werden nach manchen Schwierigkeiten erst im Jahr 2002 abgeschlossen. Für das Pfarrhaus stehen sie noch aus.

Seitdem wird in der alten Kirche an zwei Sonntagen im Monat eine Messe zelebriert. Und beim Patronatsfest Ende Juli oder Anfang August ist sie Ziel einer Prozession von der neuen Kirche aus. https://www.youtube.com/watch?v=myupr13YrTo
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Siltho
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Re: Bemerkungen zur Alten Kirche San Mauro Abad in Puntagorda

Beitrag von Siltho »

Vielen Dank für die interessanten Ausführungen :thumbsup:

Für uns ist das ein ganz besonderer Ort und steht deshalb immer auf unserem Wanderplan. Gibt ja doch ein paar Möglichkeiten, die Kirche einzubinden.. :wandern:
Liebe Grüße aus Düsseldorf,

Silke und Thorsten
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Lee
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Re: Bemerkungen zur Alten Kirche San Mauro Abad in Puntagorda

Beitrag von Lee »

Vielen Dank für diesen aufschlußreichen Bericht, Wanderbär! :number1:

Dann scheint neben Garafia auch Puntagorda anfangs hauptsächlich von Portugiesen und Nordspaniern besiedelt worden zu sein. Irgendwo meine ich auch mal gelesen zu haben, dass man im Nordwesten auch die Benahoaritas gewähren ließ, die sich dann mit diesen Einwanderern vermischten.


Hier noch zwei Bilder von dem schönen Gelände....Vorderseite des alten Pfarrhauses:

Bild

Rückseite des alten Pfarrhauses:

Bild
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