LaGraja hat geschrieben: ↑Di 22. Okt 2019, 23:49
Mein Kommentar: so lange es Menschen gibt, die aus Selbstüberschätzung, Risikobereitschaft oder einfach Dummheit die einfachsten Regeln missachten oder sogar Verbote übertreten, ...
Risikobereitschaft resultiert aus der subjektiven Einschätzung einer Gefahrensituation.
Diese Einschätzung kann naturgemäß von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausfallen. Aber auch ein einzelner Mensch beurteilt Situationen, je nach Kontext, sehr unterschiedlich. Vom bequemen Sofa aus betrachtet beurteile ich völlig anders als wenn ich mitten im Schlamassel stecke.
Mir fällt eine Parallele aus meinem früheren Leben ein.
Die Wetterprognose war verlockend gewesen. Ich fuhr viele hundert Kilometer mit dem Auto, nahm die erste Seilbahn auf den Berg und baute hoffnungsfroh meinen Textilflieger auf, obwohl die örtlichen Wetterverhältnisse wenig einladend waren. Die Locals, welche das Glück haben im Fluggebiet zu wohnen, kamen auch rauf, steckten kurz die Nase in den Wind und nahmen sofort die nächste Gondel wieder runter. Ich aber hatte zeitlich und finanziell einen großen Aufwand getrieben und war nicht bereit sofort aufzugeben. ( ... der La Palma Urlauber hat zwei Wochen seines kostbaren Jahresurlaubs geopfert und einen Wanderurlaub gebucht. Jetzt will er auch wandern).
Momentan wäre ein Startversuch Selbstmord. Ich bin also vernünftig und warte, in der Hoffnung, daß es aufklart.
Das kann Stunden dauern und zerrt gewaltig an den Nerven. Gegenseitig macht man sich Hoffnung: „Schau, da im Westen klart es schon auf“ und glaubt das sogar noch.
Mit der Warterei, der nagenden Ungeduld verändert sich auch unmerklich die Risikobereitschaft. Irgendwann kachelt der Wind weniger brutal aus der falschen Richtung. Man glaubt jetzt eine gute Phase zu haben, nutzt die Gelegenheit und rennt die Rampe hinunter.
Ein neutraler Beobachter würde objektiv konstatieren, daß die Bedingungen in diesem Moment des Starts sogar noch schlechter sind als noch vor einer Stunde. Trotzdem bin ich subjektiv überzeugt richtig gehandelt zu haben. Denn meine Risikobereitschaft habe ich unmerklich an die Situation angepasst.
Meistens ging es gut - dem Universum sei Dank. Wenn nicht, dann kann man den Bericht über seinen Fehlstart in der Zeitung nachlesen. Oder in unserem Flieger-Forum. Da gibt es eine Rubrik über Unfallhergänge, die aber nur für registrierte Mitglieder mit Passwort einsehbar ist. Dort kann nach Herzenslust geklugscheissert und geschulmeistert werden. Jeder ist der festen Überzeugung, daß ihm so etwas niiie unterlaufen könnte. „Wie kann man nur ...“ , „diese Anfänger“ ...
Ich bin überzeugt, jeder kann einen Fehler machen, über den Andere nur den Kopf schütteln. Sei es beim Wandern, beim Fliegen, oder wo auch immer.
Zum Glück kommt (wenn man es überlebt hat ...) das Alter, welches gaaanz vorsichtig macht